Mama verlässt uns …
Es ist fünf Uhr früh. Totenstille in der Wohnung. Ganz langsam öffnet sich die Türe zu meinem Kinderzimmer. Meine Mama setzt sich zu mir ans Bett und streichelt über meine Haare. Angst und Trauer blicken mir aus ihrem Gesicht entgegen. Sie sagt sie muss weg, etwas erledigen. Sie will aber wieder kommen und alles wird gut. Sie meint ich wäre stark und doch schon so ein großer Junge. Ich halte jede einzelne Träne zurück. Bin mit elf Jahren ja schon fast erwachsen. Ich habe gerade das Gefühl mir wird das Herz aus der Brust gerissen. Ich liege immer noch im Bett. Mama gibt mir einen Kuss und drückt mich ganz fest. Auch bei ihr spüre ich diesen unermesslich großen Schmerz und ihre Verzweiflung. Ich bleibe ruhig. Hauptsache Papa bekommt nichts mit. Die Wohnungstüre schließt sich ganz leise. Dann ist sie weg.
Hilflosigkeit und Trauer …
Totenstille in der Wohnung. Mama ist fortgegangen. Sie wird nicht wiederkommen, auch wenn sie es mir versprochen hat. Ich verstecke mich unter der Bettdecke. Selbst der liebe Gott soll nicht mitbekommen, wieviel Tränen mir gerade übers Gesicht laufen. Ich liege wie versteinert in meinem Bett. Meine Mama ist nach einigen wenigen Wochen, nach ihrer ersten Trennung von Papa, also zum zweiten Mal von uns gegangen. Sie hat uns verlassen, diesmal ganz sicher endgültig. Ich fühle mich so hilflos, obwohl Papa seit wenigen Wochen keinen Alkohol getrunken hatte.
Wie wird Papa reagieren …
Soll ich ihm sagen, dass Mama noch zum Verabschieden bei mir war? Ich habe Angst. Angst um meine Mama, aber auch um Papa. Wie soll er ohne Mama zurecht kommen? Wird er wieder mehr trinken? Bin ich dann alleine mit ihm? Gehen meine Geschwister zu Mama? Ich will auch zu ihr. Aber kann ich Papa alleine lassen? Ich weiß es nicht. Irgendwie schaffen wir das. Ja, aber eben nur irgendwie.
Panik hautnah spürbar …
Etwas später höre ich aufgeregte Schritte vom Vorzimmer in Richtung meines Zimmers. Papa ist wohl munter geworden. Er reißt die Türe auf, fragt ob ich gehört habe ob Mama weg gegangen ist? Ich drücke mich vor der Antwort. Papa telefoniert wild mit verschiedenen Leuten, ich glaube auch mit Mama. Mal ist er laut, dann wieder ruhig und weinerlich. Er setzt sich zu mir ans Bett, indem ich mich noch immer verstecke. Er bittet mich Mama zurückzuholen. Sie zu fragen, ob sie es nicht doch noch auf einen Versuch ankommen lassen will. Papa wirkt zerstört. Erscheint in dem Moment so hilflos, dass ich ihn gerne umarmen möchte.
Ich bin schuld …
Papa sagt, dass ich gestern statt dem Fußballspielen, doch beim Familienspaziergang mitgehen hätte können. Mama wäre dann vermutlich noch da, sagt Papa und ich glaube, er hat recht. Ich habe mich zu wenig bemüht, um Mama bei uns zu halten. Wie kann ich das je wieder gut machen? Mama wird traurig sein, dass ich sie zu wenig liebe und Papa wird es mir wohl nie verzeihen können.
Fortsetzung folgt!