Mama wartet wieder einmal auf unseren Papa.
Er kann so lieb sein, er hat aber leider zwei Seiten. Papas Job ist Lehrer und sein Unterricht wäre seit Stunden vorüber. Die Angst sitzt Mama im Nacken. Im Grunde weiß sie, in welchem Zustand unser Papa wieder heimkommen wird. Immer ähnlich, wenn er zu spät nach der Arbeit kommt. Wir drei Kinder haben uns im Kinderzimmer vorsichtshalber schon verschanzt, denn wenn Papa in seinem Zustand auftaucht, ist er unberechenbar. Die Schläge holt sich dann meist die Mama ab, um meinen großen Bruder und meine große Schwester vor seinen Wutausbrüchen zu schützen. Mir tut Papa fast nie was. Ich bin ja der Liebling. Naja, nicht so wie bei anderen Familien, ich bin quasi das Versöhnungskind und habe es etwas besser als meine Geschwister erwischt. Ich konnte aber nur wenig für meine Eltern und Geschwister verbessern. Ich reiche eben nicht aus, bin nicht genug, schaffe es einfach nicht.
Dann läutet es, das Aufsperren war in Papas betrunkenem Zustand unmöglich. Er stürzt ins Vorzimmer und bleibt liegen. Sein Anzug ramponiert. Ich erspare uns die Einzelheiten zu Äußerlichkeiten sowie Vorkommnissen, die sonst nur Babys, Alten oder eben Kranken passieren. Ok gut, Papa ist ja auch krank, aber er nimmt halt Hilfe von außen kaum an.
Trotz alledem eigentlich ein guter Abend, denn Papa ist diesmal so sturzbetrunken, dass er mit etwas Hilfe von Mama ins Bett gebracht wurde und sofort einschlief. Es ist Ruhe. Die Totenstille in der Wohnung muss bleiben, um ihn nicht zu wecken. Ängstliche und traurige Augen rund um mich. Eine völlig überforderte Mama, ganz alleine und in Sorge, wie das weitergehen wird und was diesmal die Nachbarn wieder alles mitbekommen haben. Aber egal, es war wenigstens ein ruhiger Abend.
Fortsetzung folgt …