Paul Würdig, bekannt als Rapper Sido, wurde in eine Entzugsklinik eingeliefert und kam zu einer Erkenntnis, die klarer gar nicht sein konnte. Er beschrieb sie wie folgt:
„Selbst in der Klinik war ich für alle immer nur Sido. Und da ist mir langsam bewusst geworden, was mein Problem ist. Mein Problem ist Sido! Und dass ich mit 20 Jahren aufgehört habe, Paul zu sein“.
Paul beschreibt mit wenigen Worten, was Psychotherapeuten nicht besser auf den Punkt bringen können. Wer sich zu weit von sich selbst entfernt, der wird ständig mit Mangel zu kämpfen haben. Sucht hat also immer etwas mit der eigenen Suche nach Ausgleich und dem dahinterstehenden Mangel zu tun. Also mit Suche nach mehr Mut. Suche nach mehr Selbstwirksamkeit. Suche nach Geborgenheit. Suche nach Anerkennung. Suche nach (Selbst-) Sicherheit. Suche nach Selbständigkeit. Suche nach bedingungsloser Liebe.
Das berauschende Mittel kompensiert diesen Mangel ausgezeichnet, doch der Süchtige wird sein Verhalten mit Zinseszinsen zurückzahlen müssen. Der Preis wird ein hoher sein. Viele kennen die Situation sich etwas Mut anzutrinken, wenns darum geht lockerer und entspannter durch stressige oder unklare Situationen zu kommen. Das kann das erste Abtasten beim Kennenlernen einer netten Frau sein oder ein wichtiges Gespräch, welches seit Wochen aufgeschoben wird. Das kann innere Unruhe und großer Stress sein, um sich zu beruhigen. Auch bei Traurigkeit kann das berauschende oder beruhigende Mittel helfen leichter durch die Schwere zu finden.
Sucht ist u.a. genetisch bedingt, hängt vom Umfeld und stark von der eigenen Kindheit ab. Im Grunde genommen von sehr vielen weiteren Faktoren. Ein Zusammenspiel von unterschiedlichsten Ursachen. Letztlich gehts ums Verstehen der eigenen Situation, ums Reflektieren, ums Verändern in der Gegenwart und dem Schaffen von neuen Perspektiven. Die eigene Resilienz, also die seelische Widerstandskraft, zu stärken und sich nicht vom Alltag in die Erschöpfung zwingen zu lassen sowie Glück zu erfahren, ist ein schönes Ziel.
Reinhard Haller formulierte als Psychotherapeut treffend, nur der Süchtige kann Sucht auch tatsächlich verstehen. Das Verhalten des Abhängigen ist für das Umfeld nicht nachvollziehbar. Meine eigenen Erfahrungen mit Alkoholabhängigkeit, auch die eigenen Erfahrungen als Kind alleine mit einem Suchtkranken aufwachsen zu müssen sowie das Miterleben wie sich liebe Menschen durch Rausch- und Beruhigungsmittel auf Etappen aus ihrem Leben verabschiedeten, haben mich geprägt und mir einen Erfahrungsschatz vermittelt, den ich heute sehr gezielt und wirksam einsetzen darf. Jedes Gespräch, jede Stärkung schafft viel Entlastung, im Idealfall präventiv. Suchtkranke brauchen Therapie und Betroffene aus deren Umfeld entsprechende Unterstützung. Nach oder parallel zur Therapie helfen Beratung, Begleitung und Gespräche für ein nachhaltiges, suchtfreies und glückliches Leben.